Was ist ein Polynom?
Ein Polynom ist eine Summe von Vielfachen von Potenzen einer Variablen. Die Vielfachen der Potenzen werden auch Koeffizienten genannt. Der Grad (höchste auftretende Potenz) und die Koeffizienten bestimmen das Verhalten der durch dieses Polynom definierten Funktion.
Darstellungsformen
Nach der Definition ist ein Polynom nach folgender Gleichung darstellbar:
Gl. 27 \(f\left( x \right) = {a_0} + {a_1} \cdot x + {a_2} \cdot {x^2} + {a_3} \cdot {x^3} + ... + {a_N}{x^N}\)
oder
Gl. 28 \(f\left( x \right) = \sum\limits_{n = 0}^N { {a_n} \cdot {x^n} } \)
Nach dem Fundamentalsatz der Algebra existiert zu der sog. Summendarstellung des Polynoms alternativ die Produktform, nach der jedes Polynom in ein Produkt von Linearfaktoren umgewandelt werden kann:
Gl. 29 \( f\left( x \right) = \left( {x - {b_1} } \right) \cdot \left( {x - {b_2} } \right) \cdot \left( {x - {b_3} } \right) \cdot .... \cdot \left( {x - {b_N} } \right) \)
oder
Gl. 30 \( f\left( x \right) = \prod\limits_{n = 1}^N {\left( {x - {b_n} } \right)} \)
Beide Darstellungsformen sind völlig gleichwertig und können ineinander überführt werden. Da in der Gleichung \( f\left( x \right) = \left( {x - {b_1} } \right) · \left( {x - {b_2} } \right) · \left( {x - {b_3} } \right) · .... · \left( {x - {b_N} } \right) \) jeder Faktor bei der Wahl von x = bn (n=1...N) zu Null gemacht werden kann, werden die bn auch Nullstellen des Polynoms genannt. Die Nullstellen sind wichtige Charakteristika von Polynomen, wenn deren Bestimmung aus einem Polynom in der Summendarstellung u.U. auch problematisch sein kann.
Beispiel 1:
Gegeben ist die Produktform eines Polynoms 3. Grades
\(f\left( x \right) = \left( {x - 2} \right) \cdot \left( {x - 1} \right) \cdot \left( {x + 1} \right)\)
Gesucht ist die Summendarstellung dieses Polynoms.
Lösung:
Ausmultiplizieren der Binome ergibt
\(\begin{array}{l}f\left( x \right) = \left( { {x^2} - 3x + 2} \right) \cdot \left( {x + 1} \right) = {x^3} - 3{x^2} + 2x + {x^2} - 3x + 2 \\ \\ f\left( x \right) = {x^3} - 2{x^2} - x + 2\end{array}\)
Probe:
Aus der Produktdarstellung geht hervor, dass f(x) für x=2; 1 und –1 verschwinden muss. Ist dies in der Summendarstellung auch der Fall?
\(\begin{array}{l}f\left( x \right) = {2^3} - 2 \cdot {2^2} - 2 + 2 = 8 - 8 - 2 + 2 = 0 \\ \\ f\left( x \right) = {1^3} - 2 \cdot {1^2} - 1 + 2 = 1 - 2 - 1 + 2 = 0 \\ \\ f\left( x \right) = {\left( { - 1} \right)^3} - 2{\left( { - 1} \right)^2} - \left( { - 1} \right) + 2 = - 1 - 2 + 1 + 2 = 0\end{array}\)
q.e.d.
Beispiel 2:
Gegeben ist das Polynom 2. Grades
\(f\left( x \right) = {x^2} - 2x + 2\)
Gesucht ist die Produktdarstellung des Polynoms.
Lösung:
Anwendung des Wurzelsatzes von VIETA ergibt
\(\begin{array}{l}{x^2} - 2x + 2 = 0 \\ {x_1},{x_2} = 1 \pm \sqrt {1 - 2} = 1 \pm \sqrt { - 1} \end{array}\)
Damit lautet die Produktdarstellung:
\(f\left( x \right) = \left( {x - 1 - \sqrt { - 1} } \right) \cdot \left( {x - 1 + \sqrt { - 1} } \right)\)
Probe:
Ausmultiplizieren der Faktoren ergibt
\( f\left( x \right) = \left( {x - 1 - \sqrt{ - 1} } \right) \cdot \left( {x - 1 + \sqrt { - 1} } \right) \\ = {x^2} - x - \sqrt { - 1} \cdot x - x + 1 + \sqrt{ - 1} + \sqrt { - 1} \cdot x + 1 \\ = {x^2} - 2x + 2 \)
q.e.d.
Abspaltung von Nullstellen
Ist der Wert einer Nullstelle bekannt, kann diese Nullstelle mittels Division vom Polynom abgespaltet werden.
Gl. 31 \(f\left( x \right) = \sum\limits_{n = 0}^N { {a_n} \cdot {x^n} } = \left( {x - {b_1} } \right) \cdot \left( {x - {b_2} } \right) \cdot \left( {x - {b_3} } \right) \cdot .... \cdot \left( {x - {b_N} } \right)\)
Ist z.B. die Nullstelle x0=b1 bekannt, kann diese abgespaltet werden. Der Grad des Restpolynoms ist somit um 1 niedriger als der des Ausgangspolynoms.
Gl. 32 \(\begin{array}{l}\frac{ {f\left( x \right)} }{ {\left( {x - {b_1} } \right)} } = \frac{ {\sum\limits_{n = 0}^N { {a_n} \cdot {x^n} } } }{ {\left( {x - {b_1} } \right)} } = \frac{ {\left( {x - {b_1} } \right) \cdot \left( {x - {b_2} } \right) \cdot \left( {x - {b_3} } \right) \cdot .... \cdot \left( {x - {b_N} } \right)} }{ {\left( {x - {b_1} } \right)} } \\ \\ = \left( {x - {b_2} } \right) \cdot \left( {x - {b_3} } \right) \cdot .... \cdot \left( {x - {b_N} } \right)\end{array}\)
Beispiel:
Gegeben ist das Polynoms 3. Grades
\(f\left( x \right) = {x^3} + 5{x^2} + 2x - 8\) sowie eine Nullstelle bei \( x=1 \)
Lösung:
\( \begin{array} {l}\,\,\,\,({x^3} + 5{x^2} + 2x - 8):(x - 1) = {x^2} + 6x + 8 \\ \underline{ - ({x^3} - {x^2}) } \\ \,\,\,\,\,0\,\,\,\, + 6{x^2} + 2x - 8 \\ \underline{ - \,\,\,\,\,\,\,\,\,\,(6{x^2} -6x) } \\ \,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,0\,\,\,\,\, + 8x - 8 \\ \underline{ - \,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,(8x -8) } \\ \,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,0 \end{array} \)
Binomische Polynome
Ein Sonderfall von Polynomen stellen die Binomischen Formeln dar:
Gl. 33 \( f\left( x \right) = {\left( {a \pm x} \right)^N} = \sum\limits_{n = 0}^N { { {\left( { \pm 1} \right)}^n}\left( {\begin{array}{cc}N \\n\end{array} } \right){a^n} \cdot {x^{N - n} }} \)
mit dem Binomialkoeffizienten
Gl. 34 \(\left( {\begin{array}{cc}N \\n\end{array} } \right) = \frac{ {N!} }{ {n! \cdot \left( {N - n} \right)!} }\)
wobei \( n! \) (lies: „n-Fakultät“) definiert ist als:
Gl. 35 \( n! = \begin{cases} 1 · 2 · 3 · 4 · ....\left( {n - 1} \right) · n & \text{ wenn n > 0 } \\ 1 & \text{ wenn n = 0 } \end{cases} \)
Wurzeln
In der Produktdarstellung des Polynoms \( f(x) = \prod\limits_{n = 1}^N {\left( {x - {b_n}} \right)} \) sind alle Linearfaktoren des Polynoms ausschließlich multiplikativ miteinander verknüpft. D.h. verschwindet nur einer der Faktoren, dann verschwindet das ganze Polynom. Mit anderen Worten, diese Faktoren sind gleichbedeutend mit den Nullstellen oder Wurzeln des Polynoms.
Als wichtige Konsequenz aus \( f(x) = \prod\limits_{n = 1}^N {\left( {x - {b_n}} \right)} \) kann geschlossen werden, dass jedes Polynom vom Grad N auch N Nullstellen besitzt. Diese Aussage ist der Kern des Fundamentalsatzes der Algebra.
Nicht immer sind diese Nullstellen reell oder einfach. Beispielsweise hat das Polynom
Gl. 36 \(f\left( x \right) = {x^2} + 1\)
nur die imaginären Nullstellen \({x_1} = \sqrt { - 1} \) bzw. \({x_2} = - \sqrt { - 1} \).
Während das Polynom
Gl. 37 \(f\left( x \right) = {x^2}\)
nur eine zweifache Nullstelle (algebraische Vielfachheit = 2) bei \({x_{1,2} } = 0\) besitzt.