Wie wir eine Kurvendiskussion bzw. Funktionsuntersuchung durchführen, haben wir bereits allgemein behandelt.
Schauen wir uns nun ein vollständiges Beispiel einer Kurvendiskussion an.
Hierfür untersuchen wir die Polynomfunktion:
f(x) = x4 - 1
1. Definitionsmenge
Bei Funktionen stellt sich die Frage, ob für die Funktion f(x) = y für jeden Wert von x auch ein Wert von y entstehen kann, ohne dass ein „nicht definiert“ erscheint. Wenn wir die Definitionsmenge festlegen, beantworten wir also die Frage: „Was dürfen wir für x einsetzen?“
Bei unserer Funktionsgleichung f(x) = x4 - 1 können wir alle reellen Zahlen einsetzen, ohne dass es zu Problemen (Definitionslücken) kommt.
Wir schreiben: D = ℝ
Sprich: „Definitionsmenge sind alle reellen Zahlen.“
2. Symmetrie
Eine Aussage über die Symmetrie einer Funktion lässt sich treffen, indem wir die Exponenten der Funktionsgleichung betrachten.
Achsensymmetrie
Sind alle Exponenten gerade, dann liegt Achsensymmetrie vor.
Unsere Funktionsgleichung lautet: f(x) = x4 - 1
Dabei denken wir uns bei der 1 ein x0, also: f(x) = x4 - 1·x0
Die Exponenten 4 und 0 sind beide gerade, also liegt Achsensymmetrie vor. Der Graph ist symmetrisch zur y-Achse.
Schauen wir uns kurz den Graphen der Funktion an:
~plot~ x^4-1;[[5]];noinput ~plot~
Der Graph ist achsensymmetrisch.
Punktsymmetrie
Sind alle Exponenten ungerade, dann liegt Punktsymmetrie zum Koordinatenursprung vor.
Unsere Funktionsgleichung lautet: f(x) = x4 - 1
Es gibt keine ungeraden Exponenten, daher liegt keine Punktsymmetrie zum Koordinatenursprung vor.
3. Verhalten im Unendlichen
Beim Verhalten im Unendlichen (siehe Grenzwerte) treffen wir eine Aussage, ob die Funktionswerte (also y-Werte) für x gegen plus Unendlich fallen oder steigen (x → +∞). Genauso prüfen wir, ob die Funktionswerte für x gegen minus Unendlich fallen oder steigen (x → -∞).
Wir können dies mit der Limes-Schreibweise notieren.
Für unsere Funktion f(x) = x4 - 1 gilt:
\( \lim \limits_{x \to -\infty} x^4 - 1 = +\infty \)
\( \lim \limits_{x \to +\infty} x^4 - 1 = +\infty \)
Das heißt:
• Verhalten von x gegen -∞ → Die Funktionswerte steigen.
• Verhalten von x gegen +∞ → Die Funktionswerte steigen.
4. Stetigkeit/Unstetigkeit
Eine stetige Funktion erkennen wir daran, dass ihr Graph in einem Koordinatensystem eine zusammenhängende Kurve ergibt. Das heißt, der Graph hat keine Sprünge (wie bei bspw. vorkommenden Definitionslücken oder Sprungfunktionen der Fall). Einfach gesagt: Wir können den Graphen ohne Absetzen des Stiftes zeichnen.
f(x) = x4 - 1 ist stetig.
~plot~ x^4-1;[[4]];noinput;nolabel ~plot~
5. Nullstellen
Wir ermitteln die Stellen, an denen der Graph die x-Achse schneidet.
Um diese Stellen berechnen zu können, müssen wir die Funktionsgleichung null setzen und nach x auflösen.
f(x) = x4 - 1 | Null setzen
x4 - 1 = 0 | +1
x4 = 1 | \( \sqrt[4]{ ~ } \)
x = \( \sqrt[4]{1} \)
x = \( \pm 1 \)
Lösungen:
xN1 = 1
xN2 = -1
Die Funktion hat zwei Nullstellen. Eine Nullstelle bei xN1 = 1 und eine Nullstelle bei xN1 = -1.
Nullstellen im Koordinatensystem:
~plot~ x^4-1;{1|0};{-1|0};[[3]];noinput;nolabel ~plot~
6. Schnittpunkt mit y-Achse
Den Schnittpunkt mit der y-Achse (auch „y-Achsenabschnitt“ genannt) ermitteln wir, indem wir bei der Funktionsgleichung x = 0 einsetzen.
f(x) = x4 - 1 | x = 0
f(0) = 04 - 1
f(0) = -1
Lösung: Sy(0|-1)
Bei Sy(0|-1) befindet sich also der Schnittpunkt des Graphen mit der y-Achse.
y-Achsenabschnitt im Koordinatensystem:
~plot~ x^4-1;{0|-1};[[3]];noinput;nolabel ~plot~
7. Extrempunkte
Es handelt sich bei einem Punkt um einen Wendepunkt, wenn die zweite Ableitung 0 ist und die dritte Ableitung ungleich 0. Kurz: \( f''(x_W) = 0 \) und \( f'''(x_W) ≠ 0 \)
Um Extrempunkte (Hochpunkt oder Tiefpunkt) zu bestimmen, müssen wir die erste Ableitung der Funktionsgleichung aufstellen und diese null setzen. So lässt sich die jeweilige Extremstelle berechnen.
Zuerst sind die Ableitungen zu bilden:
f(x) = x4 - 1
f'(x) = 4·x3
f''(x) = 12·x2
f'''(x) = 24·x
Dann können wir die erste Ableitung null setzen.
f'(x) = 4·x3
4·x3 = 0 | :4
x3 = 0 | \( \sqrt[3]{ ~ } \)
x = 0 (dreifach)
Bei x = 0 haben wir also eine mögliche Extremstelle.
Hierbei gibt es Fallunterscheidungen, die wir mit der zweiten Ableitung vornehmen. Wir setzen die Extremstelle in die zweite Ableitung und wenn der Wert größer 0 ist, dann handelt es sich um einen Tiefpunkt. Ist der Wert kleiner 0, dann handelt es sich um einen Hochpunkt. Kurz: \( f'(x_E) = 0 \) und \( f''(x_E) ≠ 0 \).
\( f''(x_E) \gt 0 \) → Tiefpunkt
\( f''(x_E) \lt 0 \) → Hochpunkt
Ob es tatsächlich eine Extremstelle ist und ob es sich um einen Hochpunkt oder Tiefpunkt handelt, muss noch mit der zweiten Ableitung überprüft werden.
Wir nehmen die zweite Ableitung und setzen x = 0 ein:
f''(x) = 12·x2 | x = 0
f''(0) = 12·02
f''(0) = 0
Der in die zweite Ableitung eingesetzte x-Wert ergibt 0, daher können wir nicht feststellen, ob es ein Hochpunkt oder Tiefpunkt ist.
Hier müssen wir das sogenannte Vorzeichenwechsel-Kriterium anwenden und auf diese Weise prüfen, was für eine Art von Extrempunkt bei x = 0 ist.
Setzen wir zum Beispiel die Werte x = -1 und x = 1 in die erste Ableitung ein, um festzustellen, wie die Steigungen sind. Daraus können wir dann schließen, ob ein Hoch- oder Tiefpunkt vorliegt.
Zuerst den Wert x = -1 in f'(x) einsetzen:
f'(-1) = 4·(-1)3
f'(-1) = -4
Als nächstes den Wert x = 1 in f'(x) einsetzen:
f'(1) = 4·(1)3
f'(1) = 4
Der Vorzeichenwechsel erfolgt von Minus - zu Plus +, also wird bei 0 ein Minimum angenommen. Es handelt sich folglich um einen Tiefpunkt.
y-Koordinate des Extrempunktes bestimmen:
Abschließend ist der ermittelte Wert xE in die Funktionsgleichung f(x) einzusetzen. Der berechnete y-Wert gibt dann die y-Koordinate des Extrempunktes an.
Bestimmen wir die y-Koordinate des Extrempunktes, indem wir x = 0 in die Funktionsgleichung einsetzen:
f(x) = x4 - 1 | x = 0
f(0) = 04 - 1
f(0) = -1
Bei P(0|-1) befindet sich also der Extrempunkt des Graphen.
~plot~ x^4-1;{0|-1};[[4]];noinput;nolabel ~plot~
Anhand des Graphen können wir auch sehen, dass es sich um einen Tiefpunkt handelt.
8. Wendepunkte
Wendepunkte sind Punkte des Graphen, bei denen sich das Krümmungsverhalten des Graphen ändert. Ab diesem Punkt wechselt der Graph von einer Rechtskurve zu einer Linkskurve oder von einer Linkskurve zu einer Rechtskurve.
Es handelt sich bei einem Punkt um einen Wendepunkt, wenn die zweite Ableitung 0 ist und die dritte Ableitung ungleich 0. Kurz: \( f''(x_W) = 0 \) und \( f'''(x_W) ≠ 0 \)
Berechnung der Wendestelle(n):
Zuerst nehmen wir die zweite Ableitung unserer Funktionsgleichung f(x) = x4 - 1 und setzen sie null.
f''(x) = 4·x3
4·x3 = 0 | :4
x3 = 0 | :\( \sqrt[3]{ ~ } \)
x = 0 (dreifach)
Bei x = 0 haben wir also eine mögliche Wendestelle.
Nun müssen wir prüfen, ob die dritte Ableitung für diesen Wert ungleich 0 ist. Also f'''(x) ≠ 0:
f'''(x) = 12·x2 | x = 0
f'''(0) = 12·02
f'''(0) = 0
Da die dritte Ableitung ebenfalls null ist, kann keine direkte Aussage getroffen, ob ein Wendepunkt vorliegt, hier hilft nur das Vorzeichenwechsel-Kriterium.
Setzen wir hierzu zum Beispiel die Werte x = -1 und x = 1 in die zweite Ableitung ein:
Zuerst den Wert x = -1 in f''(x) einsetzen:
f''(-1) = 12·(-1)2
f''(-1) = 12
Als nächstes den Wert x = 1 in f''(x) einsetzen:
f''(1) = 12·(1)2
f''(1) = 12
Wie wir sehen erfolgt kein Vorzeichenwechsel (beide y-Werte sind 12). Also liegt bei x = 0 kein Wendepunkt vor.
Auch bei der Abbildung des Graphen sehen wir, dass kein Wendepunkt existiert:
~plot~ x^4-1;[[4]];noinput;nolabel ~plot~
9. Monotonieverhalten
Das Monotonieverhalten gibt an, in welchen Intervallen der Funktionsgraph monoton steigend oder monoton fallend ist.
Hierbei hilft uns die erste Ableitung, denn sind deren Funktionswerte größer gleich 0 (also \( f'(x) \geq 0 \)), dann ist der Graph monoton steigend.
Sind die Funktionswerte der ersten Ableitung jedoch kleiner gleich 0 (also \( f'(x) \leq 0 \)), dann ist der Graph monoton fallend. (Siehe hierzu auch noch mal: Grafisches Ableiten und Monotonie bei Funktionen.)
Die bestimmten Extrempunkte helfen uns zu erkennen, wo es einen Monotoniewechsel gibt.
Die Monotonie wird mit Intervallen angegeben. Für unsere Funktion:
]-∞; 0] monoton fallend
[0; +∞[ monoton steigend
10. Krümmungsverhalten
Das Krümmungsverhalten gibt an, in welchen Intervallen der Funktionsgraph rechtsgekrümmt oder linksgekrümmt ist.
Hierbei hilft uns die zweite Ableitung, denn sind deren Funktionswerte größer 0 (also \( f''(x) \gt 0 \)), dann ist der Graph linksgekrümmt.
Sind die Funktionswerte der zweiten Ableitung jedoch kleiner 0 (also \( f''(x) \lt 0 \)), dann ist der Graph rechtsgekrümmt.
Siehe hierzu auch noch mal: Grafisches Ableiten und Monotonie bei Funktionen.
Die Krümmung wird mit Intervall angegeben, und zwar für unsere Funktion:
]-∞; +∞[ linksgekrümmt
11. Graph zeichnen
Auch wenn wir den Graphen schon mehrfach zuvor gesehen und als visuelle Hilfe genutzt haben, ist nun der eigentliche Zeitpunkt gekommen, den Graphen mit den gewonnenen Erkenntnissen zu zeichnen.
Der Graph der Funktion wird am Ende jeder Kurvendiskussion gezeichnet. Hierzu verwenden wir alle Punkte, die wir ermittelt haben. Auch das Monotonie und Krümmungsverhalten. Ggf. erstellen wir zusätzlich eine Wertetabelle, um weitere Punkte zum Zeichnen zu erhalten.
Wenn man einen grafischen Taschenrechner (GTR) besitzt, kann man diesen unter Umständen verwenden.
Oder man verwendet einen Funktionsplotter wie Plotlux.
Abbildung des Graphen unserer Funktion:
~plot~ x^4-1;[[4]];noinput;nolabel ~plot~
Damit ist die Kurvendiskussion abgeschlossen.