Es ist bekannt, dass periodische Schwingungen aus einer Grundschwingung und Oberschwingungen, die dieser überlagert sind, bestehen. Die Frequenzen von Oberwellen sind immer ganzzahlige Vielfache der Frequenz der Grundwelle.
Alle periodischen Funktionen, die stationär sind (d.h. ihren Charakter nicht verändern), können als Summe von sin- bzw. cos-Schwingungen aufgefasst werden. Daher lautet der allgemeine Ansatz:
\( f(t) = {a_0} + \sum\limits_{n = 1}^\infty {\left( { {a_n}\cos \left( {n \cdot \omega \cdot t} \right) + {b_n}\sin \left( {n \cdot \omega \cdot t} \right)} \right)} \) Gl. 218
Hierin bedeuten die Koeffizienten a und b die Amplituden der einzelnen Schwingungen. Der Koeffizient a0 nimmt eine Sonderstellung ein, er drückt den Gleichanteil (Mittelwert) der Schwingung dar.
Die Unterschiedlichkeit der Mixtur von Oberwellen ist es, die Musikinstrumenten ihren typischen Klang verleihen. Aber auch Sprachsignale sind durch die Unterschiede der Oberwellenzusammensetzung charakterisiert.
Abbildung 27 zeigt, wie eine Vielzahl von Schwingungen unterschiedlicher Frequenz und Amplitude sich zu einer rechteckförmigen Schwingung überlagern.
Jean-Baptiste Joseph FOURIER, 1768-1830, untersuchte die Klasse von periodischen Funktionen. Der allgemeine Ansatz
\( f(x) = {a_0} + \sum\limits_{n = 1}^\infty {\left( { {a_n}\cos \left( {n \cdot x} \right) + {b_n}\sin \left( {n \cdot x} \right)} \right)} \) Gl. 219
Stellt ebenfalls eine unendliche Reihe dar, deren Konvergenz mit wenigen Einschränkungen immer gegeben ist. Wegen der Periodizität gilt:
\( f\left( x \right) = f\left( {x + 2\pi } \right) \) Gl. 220
In Gl. 219 stehen die cos-Schwingungen für die geraden, d.h. zur y-Achse symmetrischen und die sin-Schwingungen für die ungeraden, d.h. zur y-Achse unsymmetrischen Schwingungsanteile.
Die Aufgabe besteht nunmehr darin, die unbekannten Koeffizienten an und bn zu bestimmen. Wegen der oben vorausgesetzten Stationärität des zu analysierenden Signals kann angenommen werden, dass jede Periode der jeder anderen gleicht. Darum darf die Analyse des Signals auf eine einzelne Periode bezogen werden. Ohne Beweis sei hier angegeben, dass
\( {a_0} = \frac{1}{ {2\pi } }\int\limits_0^{2\pi } {f\left( x \right)dx} \) Gl. 221
\( {a_n} = \frac{1}{\pi }\int\limits_0^{2\pi } {f\left( x \right) \cdot \cos \left( {n \cdot x} \right)dx} \) Gl. 222
\( {b_n} = \frac{1}{\pi }\int\limits_0^{2\pi } {f\left( x \right) \cdot \sin \left( {n \cdot x} \right)dx} \) Gl. 223
Die Berechnung oder Messung der Koeffizienten der Schwingungen und Oberwellen wird auch harmonische Analyse genannt. Die so ermittelte Reihe heißt FOURIER-Reihe.
Beispiel:
Es sei die Rechteckschwingung \(f(x) = \left\{ { \begin{array}{cc} {1; \quad 0 \le x < \frac{\pi}{2} \text{ und } 3\frac{\pi }{2} \le x < 2\pi }\\{ - 1; \quad \frac{\pi }{2} \le x < 3\frac{\pi}{2}} \end{array} } \right. \)
einer harmonischen Analyse zu unterziehen.
Nach Gl. 221 bis Gl. 223 ergibt sich:
\({a_0} = \frac{1}{ {2\pi } }\left[ {\int\limits_0^{\pi /2} {1dx - \int\limits_{\pi /2}^{\pi 3/2} {1dx + } \int\limits_{\pi 3/2}^{2\pi } {1dx} } } \right] = \frac{1}{ {2\pi } }\left[ {\left. x \right|_0^{\pi /2} - \left. x \right|_{\pi /2}^{3\pi /2} + \left. x \right|_{3\pi /2}^{2\pi } } \right] = 0\)
\({a_n} = \frac{1}{\pi }\left[ {\int\limits_0^{\pi /2} {1 \cdot \cos \left( {n \cdot x} \right)dx - \int\limits_{\pi /2}^{\pi 3/2} {1 \cdot \cos \left( {n \cdot x} \right)dx + } \int\limits_{\pi 3/2}^{2\pi } {1 \cdot \cos \left( {n \cdot x} \right)dx} } } \right]\)
\(\,\,\,\,\, = \frac{1}{\pi }\left[ {\left. {\frac{1}{n}\sin \left( {nx} \right)} \right|_0^{\pi /2}\left. { - \frac{1}{n}\sin \left( {nx} \right)} \right|_{\pi /2}^{3\pi /2}\left. { + \frac{1}{n}\sin \left( {nx} \right)} \right|_{3\pi /2}^{2\pi } } \right]\)
\(\,\,\,\,\, = \frac{2}{ {n \cdot \pi } }\left[ {\sin \left( {n\frac{\pi }{2} } \right) - \sin \left( {n\frac{ {3\pi } }{2} } \right)} \right] = \left\{ {\begin{array}{cc}{\,\,\,\,\,0;\,\,n = 2,4,6,8,...}\\{\frac{4}{ {\pi \cdot n} };\,\,n = 1,5,9,...}\\{\frac{ { - 4} }{ {\pi \cdot n} };\,\,n = 3,7,11,..}\end{array} } \right.\)
\({b_n} = \frac{1}{\pi }\left[ {\int\limits_0^{\pi /2} {1 \cdot \sin \left( {n \cdot x} \right)dx - \int\limits_{\pi /2}^{\pi 3/2} {1 \cdot \sin \left( {n \cdot x} \right)dx + } \int\limits_{\pi 3/2}^{2\pi } {1 \cdot \sin \left( {n \cdot x} \right)dx} } } \right]\)
\(\,\,\,\,\, = \frac{1}{\pi }\left[ {\left. { - \frac{1}{n}\cos \left( {nx} \right)} \right|_0^{\pi /2}\left. { + \frac{1}{n}\cos \left( {nx} \right)} \right|_{\pi /2}^{3\pi /2}\left. { - \frac{1}{n}\cos \left( {nx} \right)} \right|_{3\pi /2}^{2\pi } } \right] = 0\)
Damit lautet die gesuchte FOURIER-Reihe:
\(f(x) = \sum\limits_{n = 1}^\infty {\left( {\frac{ { { {\left( { - 1} \right)}^{n + 1} } } }{ {\left( {2n - 1} \right)\pi } }\cos \left( {\left( {2n - 1} \right) \cdot x} \right)} \right)} \)