Auch für unsymmetrische und nichtquadratische Matrizen kann eine kanonische Darstellung angegeben werden. Die dafür erforderliche Zerlegung wird von der Singulärwertzerlegung geleistet. Hierbei wird von folgender Behauptung ausgegangen:
Analog zur kanonischen Zerlegung symmetrischer Matrizen kann eine beliebige Matrix A der Dimension (m Zeilen x n Spalten, n < m) in das Produkt aus orthonormalen Matrizen U (m x m), S (n xn) und V (n x n) zerlegt werden:
\(A = U \cdot S \cdot {V^T}\) Gl. 283
Nach den Gesetzen der Matrizenmultiplikation ergibt das Produkt der quadratischen Matrizen tatsächlich die Dimension der Ausgangsmatrix A:
Worin U und V Matrizen von Eigenvektoren bzw. S eine Matrix von Eigenwerten der Matrixprodukte AT×A bzw. A×AT sind. Aus diesem Grund sindU und V orthonormal undS ist eine Diagonalmatrix.S wird auch die Singulärwertmatrix genannt.
Beweis:
Die Multiplikation transponierter Matrizen mit sich selbst, z.B.AT×A bzw. A×AT liefert stets quadratische und symmetrische Matrizen als Ergebnis. Folglich können beide Produkte in ihre kanonische Form gewandelt werden. Das Produkt A×AT liefert eine m x m Matrix B:
\(A \cdot {A^T} = B = U \cdot \Lambda \cdot {U^T}\) Gl. 284
und das Produkt AT×A eine n xn Matrix C:
\({A^T} \cdot A = C = V \cdot \Lambda \cdot {V^T}\) Gl. 285
Die Matrix der Eigenwerte L ist in beiden Fällen identisch!
Gemäß Gl. 283 gilt aber
\( A \cdot {A^T} = B = \left( {U \cdot S \cdot {V^T} } \right) \cdot {\left( {U \cdot S \cdot {V^T} } \right)^T} \) Gl. 286
bzw.
\({A^T} \cdot A = C = {\left( {U \cdot S \cdot {V^T} } \right)^T} \cdot \left( {U \cdot S \cdot {V^T} } \right)\) Gl. 287
Folglich sind
\( B = U \cdot S \cdot {V^T} \cdot {\left( { {V^T} } \right)^T} \cdot {S^T} \cdot U; \quad C = {\left( { {V^T} } \right)^T} \cdot {S^T} \cdot {U^T} \cdot U \cdot S \cdot {V^T} \) Gl. 288
Unter Beachtung der Regeln für die Produkte transponierter Matrizen und der Tatsache, dass U und V orthonormal sind, folgt:
a) S ist eine Diagonalmatrix, daher istST = S!
b)(VT)T = V,
c) U bzw. V sind orthonormal, daher ist UT×U = U×UT =VT×V = V×VT = I !
daher
\( B = U \cdot S \cdot {V^T} \cdot V \cdot S \cdot {U^T} = U \cdot S \cdot I \cdot S \cdot {U^T} = U \cdot {S^2} \cdot {U^T} \) Gl. 289
Analog dazu
\(C = V \cdot S \cdot I \cdot S \cdot {V^T} = V \cdot {S^2} \cdot {V^T}\) Gl. 290
Die Gleichungen Gl. 289 und Gl. 290 stellen die kanonischen Formen der Matrizen B und C dar, worin U und V die Eigenvektormatrizen von B bzw.C darstellen und S2 die MatrixL der Eigenvektoren von B oder C.
Um der Definitionsgleichung Gl. 283 gerecht zu werden, muss S aus L bestimmt werden:
\(S = \sqrt \Lambda = \left( {\begin{array}{cc}{\sqrt { {\lambda _1} } }&0&0&0\\0&{\sqrt { {\lambda _2} } }&0&0\\{...}&{...}&{...}&{...}\\0&0&0&{\sqrt { {\lambda _n} } }\end{array} } \right)\) Gl. 291
Beispiel:
Die gegebene Matrix \(A = \left( {\begin{array}{cc}{ - 1}&{ - 1}\\2&2\\{ - 1}&1\end{array} } \right)\) soll in ihre kanonische Form gebracht werden.
Lösung:
a) Berechnung von B:
\( B = A \cdot {A^T} = \left( {\begin{array}{cc}2&{ - 4}&0\\{ - 4}&8&0\\0&0&2\end{array} } \right) \)
und die zugehörige Matrix der Eigenvektoren
\(U = \frac{1}{ {\sqrt 5 } } \cdot \left( {\begin{array}{cc}0&{ - 1}&2\\0&2&1\\{\sqrt 5 }&0&0\end{array} } \right)\)
b) Berechnung von C:
\(C = {A^T} \cdot A = \left(
{\begin{array}{cc}6&4\\4&6\end{array} }
\right)\), die Berechnung der Eigenwerte führt auf
\(
\Lambda = \begin{pmatrix} 2 & 0 \\ 0 & 10 \end{pmatrix}
\)
und die zugehörige Matrix der Eigenvektoren
\( V = \frac{1}{ {\sqrt 2 } } \left( {\begin{array}{cc}1&1\\{ - 1}&1\end{array} } \right)\)
Damit lautet die kanonische Zerlegung:
\(\left( {\begin{array}{cc}{ - 1}&{ - 1}\\2&2\\{ - 1}&1\end{array} } \right) = \frac{1}{ {\sqrt 5 } } \cdot \left( {\begin{array}{cc}0&{ - 1}&2\\0&2&1\\{\sqrt 5 }&0&0\end{array} } \right) \cdot \left( {\begin{array}{cc}{\sqrt 2 }&0\\0&{\sqrt {10} }\end{array} } \right) \cdot \frac{1}{ {\sqrt 2 } }{\left( {\begin{array}{cc}1&1\\{ - 1}&1\end{array} } \right)^T}\)
Wie das Beispiel zeigt, ist es recht mühevoll, für zwei Matrizen die Eigenvektoren zu berechnen. Insbesondere dann, wennB infolge m xm recht große Ausmaße annehmen kann!
Eine effizientere Methode kann durch Umstellen von Gl. 283 abgeleitet werden:
\( A = U \cdot S \cdot {V^T} \quad \Rightarrow \quad A \cdot {\left( {S \cdot {V^T} } \right)^{ - 1} } = U \) Gl. 292
Unter Beachtung der Regeln für Inverse Matrizen
\(U = A \cdot {\left( {S \cdot {V^T} } \right)^{ - 1} } = A \cdot {\left( { {V^T} } \right)^{ - 1} } \cdot {S^{ - 1} }\) Gl. 293
Da V orthonormal ist, gilt (VT) -1 = V
\( U = A \cdot V \cdot {S^{ - 1} } \) Gl. 294
Sind also die Eigenwerte und die dazugehörigen Eigenvektoren (S2 und V) der Matrix C bekannt, ist die Matrix U nach Gl. 294 berechenbar. Das Berechnen der Matrix B ist damit ebenfalls hinfällig!
Beispiel:
Am vorangegangenen Beispiel wurden für die Matrix \(A = \left( {\begin{array}{cc}{ - 1}&{-1} \\ 2 & 2 \\ {-1} & 1 \end{array} } \right)\) über die Berechnung der Matrix C Eigenwerte zu \( \Lambda = \begin{pmatrix} 2 & 0 \\ 0 & 10 \end{pmatrix} \) und Eigenvektoren zu \(V = \frac{1}{ {\sqrt 2 } }\left( {\begin{array}{cc}1&1\\{ - 1}&1\end{array} } \right)\) berechnet.
Für U ergibt sich dann
\(U = \left( {\begin{array}{cc}{ - 1}&{ - 1}\\2&2\\{ - 1}&1\end{array} } \right) \cdot \frac{1}{ {\sqrt 2 } }\left( {\begin{array}{cc}1&1\\{ - 1}&1\end{array} } \right) \cdot \left( {\begin{array}{cc}{\frac{1}{ {\sqrt 2 } } }&0\\0&{\frac{1}{ {\sqrt {10} } } }\end{array} } \right) = \left( {\begin{array}{cc}0&{\frac{1}{ {\sqrt 5 } } }\\0&{\frac{2}{ {\sqrt 5 } } }\\1&0\end{array} } \right)\)
Die dritte Spalte der Matrix U ist irrelevant, da diese in der Multiplikation mit S×VT (2 x 2 Matrix) nicht benötigt wird. Diese Spalte kann also bei Bedarf auch mit Nullen aufgefüllt werden.